Liebe Salon-Interessierte,
lang waren wir still, einerseits benommen von den Ereignissen vom 7. Oktober und andererseits hin und her gerissen zwischen dem Bedürfnis, jetzt erst recht ein Ort zu sein, an dem gesprochen wird und der Scheu vor den erhitzten Diskursen, dem brodelnden Hass, die jedes nachdenklich fruchtbare Gespräch zu sprengen drohte.
Aber wir sind da und wir machen weiter und laden Sie herzlich zum nächsten Salon mit dem Autor und Literaturwissenschaftler Alfred Bodenheimer ein:
Montag, 18. März 2024 – 20:00 Uhr (Einlass ab 19:30 Uhr)
Jüdischer Salon im Grünen Salon an der Volksbühne
Rosa-Luxemburg-Platz 2
Unfähigkeit zu trauern? Paradigmenwechsel im jüdischen Umgang mit dem Tod
Über das Töten und den Tod wird allenthalben geschrieben und geredet, es ist auch leider allgegenwärtig, aber was ist mit dem Trauern? Wie wird um all die Toten getrauert und dann weitergelebt?
Nicht zuletzt wegen seines Kriminalromans Kains Opfer und wie seine Figur Rabbi Klein darin mit dem Trauern umgeht, haben wir Alfred Bodenheimer gefragt, ob er sich dieses Themas für unseren Salon annehmen würde. Wir freuen uns ganz besonders, dass er unsere Einladung spontan angenommen hat.
Alfred Bodenheimer lebt und arbeitet zwischen Basel und Tel Aviv. Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober – er war zu dem Zeitpunkt in Israel – reflektiert er das Auseinanderdriften des Trauerns in der Diaspora und in Israel.
„In der Diaspora hält sich mehr oder minder die überkommene jüdische Form der Konfrontation mit dem Tod. Man fürchtet den Tod, man will ihn fernhalten, aber wenn er kommt, dann wird in der Regel (bei aller emotionalen Belastung) religiös konventionell mit ihm umgegangen. Es werden zum Beispiel die Totengebete gesprochen, eventuell eine Trauerwoche (Shiwa sitzen). Das Einordnen des Todes in eine jahrtausendelange Geschichte der Verluste und Beschädigungen lebt in diesem Sinne weiter.
In Israel habe ich, v.a. seit dem 7. Oktober, das Gefühl, dass einerseits bei vielen Soldaten geradezu ein Märtyrergeist herrscht (in Briefen von Soldaten, die sie vor ihrem Tod geschrieben haben, wurde dies dutzendfach offenbar) und andererseits erkannt wird, dass man Formen des gewaltsam erlittenen Todes nicht mehr akzeptieren kann, weil er am Selbstverständnis des Landes nagt.
Die Kluft zwischen Diaspora und Israel, die Michael Wolffsohn kürzlich beschrieben hat, öffnet sich auch hier. Allerdings nicht, wie bei Wolffsohn gemeint, nur politisch, sondern im Umgang mit einem urmenschlichen Problem und Zustand.“